DOJO-ETIKETTE
wie sie in traditionellen Dojos sein können
Text-Kopie von „3A – Académie Autonome d'Aikido“
An dieser Stelle könnten die Gründe stehen, warum wir in unserem Training/Dojo kaum Etikette und Rituale haben. Später … :–)
— Update 2017: „Die Frage der Etikette“ —
Wer hier eine Wegbeschreibung zu unserem Dojo erwartet hat, folge dem Link der Zeile.
Über das Verhalten im Dojo
Aus: Le Noeud de la Ceinture, André Cognard, 1986
Das Dojo bedeutet wörtlich „Do“: der
Weg und „jo“: der Ort, an dem man den Weg studiert. Das Dojo besitzt
einen würdevollen (heiligen) Charakter. Es ist wie ein Tempel. Es ist ein
Platz, zu dem man geht, um sich zu sammeln, um zu üben. Ganz allgemein ist
das Dojo nach einer genauen Vorgabe errichtet, die ihm seinen Charakter
verleiht. Um dies zu verstehen, muß man auf die japanische Mythologie
zurückgreifen. ...
Seine vier Seiten stehen für die vier Himmelsrichtungen (shiho). Wir
beginnenden mit Kamiza, das heißt da, wo die
Götter (Kami) sind. Das ist im Osten ... nur der Lehrer sitzt vor Kamiza.
Für den Schüler ist es wichtig, sich nie, auch nicht während
eines Kurses, vor Kamiza zu setzen. Gegenüber ist
Shimoza. Dies ist der Ort, an dem alle Schüler
sitzen. Aus der Sicht des Lehrers sitzen ganz rechts die Anfänger, und je
höher man in der Aikido-Hierarchie steigt, umso weiter links plaziert man
sich. Die Seite rechts nennt sich Shimozeki, dort
sitzen die Zuschauer und eingeladen Gäste. Gegenüber, links vom
Lehrer, auf der Seite der älteren Schüler, ist
Joseki. Dort sitzen die vom Meister eingeladen
Assistenten. Links vom Lehrer, nahe Kamiza können Ehrengäste vom Range
des Lehrers aufwärts sitzen.
So ist also das Dojo organisiert. Es steht Sinnbildlich für eine Rotation.
Man tritt ein an Shimoza, ganz rechts, und Schritt für Schritt entwickelt
man sich entlang Kamiza hin zu Joseki. Man wird Schüler, dann
Schüler-Uke, schließlich selbst Lehrer. Es gibt hier einen Bezug mit
den Elementen Erde-Wasser-Feuer ... Es ist von Bedeutung, daß man seinen
Platz zwischen den Neulingen und den älteren Schülern findet. Vom
Lehrer aus gesehen sitzen die Anfänger ganz rechts, die Fortgeschrittenen
ganz links.
Ein weiteres wichtiges Element der Etikette ist das Grüßen
durch Verneigung. Der Schüler verneigt sich immer im Sitzen (seiza).
Dazu legt man die Hände vor den Knien mit der Handinnenfläche nach
unten auf dem Boden ab. Daumen und Zeigefinger beider Hände sollen sich so
berühren, daß daraus ein Dreieck entsteht. Sodann beuge den
Oberkörper nach vorne, so daß die Stirne die Mitte der beiden
Hände berührt, dann richte dich wieder auf, atme leicht ein, und wenn
die Hände sich vom Boden lösen, atme wieder aus. Beende das Ausatmen,
wenn Du wieder aufrecht sitzt. ...
Zu Beginn eines Kurses, wenn der Lehrer noch nicht eingetroffen
ist, setzt man sich an „seinen richtigen“ Platz und
bleibt da ruhig in seiza sitzen. Natürlich ohne zu palavern. Das Dojo ist
kein Ort, um sich zu unterhalten. Man übt sich hier in Meditation oder
einfach nur im stillen sich sammeln. Man wartet. Dieses Warten ist bereits eine
Übung. ...
Wenn ihr zufällig zur spät zum Kurs kommt,
setzt euch sofort außerhalb der Tatami in seiza und wartet. Wenn der
Lehrer zu Euch hinschaut, grüßt und wenn er Zeichen gibt, auf die
Matte zu kommen, tut dies ganz normal und grüßt dabei Kamiza. Dann
reiht euch sofort in die laufende Übung ein. Habt soviel Feingefühl,
keine eigene Gymnastik und Aufwärmung zu betreiben, während der Kurs
schon läuft. Betretet nie das Dojo während Shinkokyu, dem
Eröffnungsritual eines Kurses. ...
„Mukuso“, das ist die Meditation. ...
Wir haben dabei zwei Übungsteile: die Sitzhaltung und die Betrachtung der
Bewegung unserer Gedanken. In dieser Sitzposition, ohne etwas zu tun, ohne etwas
zu denken, während man also nur so sitzt, stellt man ein Kommen und Gehen
der Gedanken fest, eine ständige Unruhe. Es kann nun eine
Meditationsübung im Aikido sein, diese Bewegung der Gedanken zuzulassen,
ohne irgendwie einzugreifen, bis sie sich beruhigen, auch ohne die Absicht, sie
beruhigen zu wollen. Man behält einfach die Sitzhaltung bei. Anfangs
ändert sich diese Position sehr rasch und es treten Kniebeschwerden auf,
Schmerzen in den Knöcheln, den Füßen, im Beckens, im
Rücken, im Lendenwirbelbereich. Diese Sitzhaltung entspricht trotzdem einer
natürlichen Sitzposition. Die Schmerzen sind nur Ausdruck der durch unsere
Zivilisation entstandenen Verspannungen (auch seelischer Art). Durch das
Üben des Sitzens lernen wir, unbewußt angespannte Muskelpartien zu
entspannen und steigern so unser allgemeines Wohlbefinden.
Verhalten während des Kurses
... Es ist ausschließlich die persönliche Erfahrungen mit dem
Körper, die uns erlaubt, Aikido zu verstehen. Wenn man mit einem Partner zu
üben beginnt, dann übernimmt der Fortgeschrittenere die Rolle von
Shite, der, welcher die Technik macht. Der andere, nicht so
Fortgeschrittene spielt Uke, der, welcher fällt.
Selbstverständlich wird dann gewechselt. So ist es üblich, wenn nicht
der Fortgeschrittene es anders entscheidet. Übt man in Gruppen, ist es
genauso. Die Schüler spielen die Rolle des Shite in der Reihenfolge der
Hierarchie. Man gebraucht die Bezeichnungen „shite“, „uke“,
„nage“, „tori“, „seme“, um den
Aikido-Ausübenden ihre jeweiligen verschiedenen Positionen zuzuordnen.
„Shite“ leitet sich ab von
„suru“, was soviel heißt wie „tun“, der, welcher
Ausführt. „Nage“ kommt von
„nageru“: werfen. „Uke“ kommt
von „ukeru“, was soviel heißt wie „empfangen“. Es
ist derjenige, welcher erleidet, der den Angriff empfängt, der die Energie
erhält. Uke ist die Position des Schülers. Ist man uke, dann ist man
Schüler desjenigen, der wirft. Man ist uke des Lebens, man ist uke eines
Meister. Uke sein heißt Schüler sein. Dies ist der einzige Begriff,
der allen Aikido-Schulen gemeinsam ist.
„Tori“ kommt vom „toru“, dies
bedeutet nehmen. Der, welcher nimmt. Man gebraucht tori auch anstelle shite,
der, welcher die Bewegung ausführt. Tatsächlich mag es hier vielleicht
eine Verwirrung geben. Zum Beispiel bei den Greif-Angriffen: Tori, ist
derjenige, welcher greift. Dann wird aber die Rolle getauscht. Der Angegriffene
übernimmt, und tori wird zu uke, uke wird zu tori.
Gleichermaßen benützt man
„seme“ (semeru = angreifen), das ist
wiederum derjenige, der angreift. Während er angreift, kommt uke (der,
welcher empfängt) dem Angriff zeitlich zuvor und uke wird zu seme, seme zu
uke. Man sagt: „uke soku seme, seme soku uke“, um den Rollenwechsel
auszudrücken. Um dies gut zu verstehen, verweise ich auf das Kapitel
„Aikiken“. Der Begriff seme scheint mir ungebräuchlicher,
jedoch in unserem Aikido gebrauchen wir ihn genauso wie uke.
Verhalten gegenüber dem Lehrer, dem Meister
Jetzt komme ich zu sprechen auf das Verhalten im Dojo während des Kurses
und an jedem anderen Ort und zu jeder anderen Zeit gegenüber dem Lehrer und
viel mehr noch, dem Meister. Es gilt immer Distanz zu halten, den Unterschied in
der Hierarchie durch eine respektvolle Haltung zum Ausdruck zu bringen. Dies
geschieht durch die Formen der Höflichkeit und einer gewissen
Zurückhaltung. Dazu gehört, den Lehrer während des Kurses nicht
laut anzusprechen oder zu fragen, wenn man Fragen stellt, sie nicht so zu
formulieren, daß der Lehrer genötigt wäre, mit „ja“
oder „nein“ zu antworten. Es gilt, immer bescheiden zu sein, in bezug
zum Lehrer seinen Platz zu finden. Der Schüler, der diese Bezeichnung
verdient, weiß dem Lehrer die Belastungen abzunehmen, die er
übernehmen kann, wie z. B. die Tasche tragen, den Hakama falten, Jo und
Bokken tragen usw. Alle diese Aufgaben sind Pflicht eines jeden Schülers.
Diese Haltung der Ehrerbietung des Respekts gebührt nicht
ausschließlich dem Lehrer. Sie gilt gleichermaßen für alle
sempai, alle Fortgeschrittenen, die vor Dir begonnen haben. Mancher denkt,
für den Lehrer ist es üblich, nicht aber für die sempai auch
noch! Hier irrt, der so denkt. Das wichtige ist nicht die Person, der man
gegenüber ist, sondern den Respekt der Hierarchie zu erweisen. Dies ist
eine Übung. Durch eine solche Haltung kann man lernen, sich selbst
kennenzulernen, und man trägt zur Ausgewogenheit eines Übungssystems
für alle bei. Man entwickelt seine Aufmerksamkeit. So kann man sein Ego
kennenlernen.
Auch im Dojo gibt es allgemeine Verhaltensregeln, die es zu kennen und
respektieren gilt. ... Das Dojo ist ein Ort der inneren Sammlung. Man verrichtet
keine Tätigkeiten, die nicht in Bezug zur Übung stehen. Man macht dort
nichts außer der Übung. Es gibt dort auch nur eine Sitzposition,
nämlich seiza. In einem Dojo existiert keine andere korrekte Sitzhaltung.
Man sitzt in seiza oder man befindet sich in übender Aktion. Es gibt keine
anderen Möglichkeiten. Unglücklicherweise kann man in Dojos mitunter
andere, laschere Haltungen beobachten. Solche gilt es zu unterlassen. Man
muß daran arbeiteten, daß es den Aikidoka möglich ist, in seiza
sitzen zu können.
Des weiteren trägt man im Dojo die erforderliche Kleidung, eine solche,
die zu der jeweiligen Übung paßt, im Aikido also ein Dogi und, wenn
man shodan ist oder vom Lehrer die Erlaubnis hat, den Hakama. Dogi und Hakama,
müssen immer einwandfrei sauber und gepflegt sein. Der Hakama ist ein
Kleidungsstück, dem Respekt gilt. Er besitzt eine gewisse Würde und es
ist ganz allgemein im Bodo sehr wichtig, diesen Respekt immer zu erweisen. Der
Hakama drückt den freiwilligen Eintritt, die intensive Beschäftigung
mit der Übung aus. Wenn man den Hakama anzieht, tritt man in Aikido ein.
...
Se no undo
Zum Ende des Kurses läßt der Lehrer im allgemeinen „se no
undo“ ausführen, wörtlich Gymnastik des Rückens. Se, das
bedeutet Wirbelsäule, senaka. Diese Gymnastik zum Schluß, dazu da,
den Körper ein wenig zu dehnen, Muskelverspannungen zu lösen, die
durch viel Fallen hervorgerufen wurden, ist eine sehr gesunde Übung, welche
alle ohne Risiko ausführen können. Zuerst ist es notwendig, einen
guten Stand im Gleichgewicht zu finden und sein Becken unter das Becken des
Partners abzusenken, bevor man ihn auflädt. Danach ist es nicht nötig,
ihn kräftig durchzuschütteln, wie man häufig sehen kann. Es ist
ausreichend, eine kleine, leichte Wiegebewegung des Körpers
auszuführen. Schließlich, wenn man den Partner wieder ablädt,
geht man in die Knie, bis seine Füße den Boden berühren, dann
richtet man sich auf (und den Partner mit). Auf diese Weise vermeidet man das
ganze Gewicht des Partners auf den Füßen und damit verbundene
Verletzungsgefahr.
Am Ende des Kurses läßt der Lehrer in Linie absitzen (sei ritsu). ...
Dann bleiben die Schüler am Platz sitzen, solange der Lehrer das Dojo nicht
verlassen hat. Mindestens zwei Schüler halten sich bereit, um den Hakama
des Lehrers zu falten und Jo und Bokken zu tragen. Dann, wenn der Lehrer das
Dojo verläßt, drehen sich die Schüler in seine Richtung und
grüßen. Danach versucht jeder einen sempai zu finden, um ihm den
Hakama zu falten. Danach dankt man jedem sempai, mit dem man im Kurs geübt
hat, indem man ihn mit den Worten „domo arigato gozaimashita“
grüßt.
Das Hakama-Legen geschieht immer in seiza. Wenn man den Hakama gefaltet hat,
übergibt man ihn seinem Besitzer und dankt. Die Höflichkeit will es,
daß ein rangniederer Schüler seinen Hakama nicht zum Legen abgibt,
bevor die Ranghöheren (sempai) die ihrigen übergeben haben. Man gibt
sein Hakama dem Schüler, der ihn wirklich will und dankt im voraus.
Einige Anmerkungen
Das Gefüge, welches aus den vielfältigen Beziehungen entsteht, wenn
man diese Prinzipien beherzigt, ist selbst eine wirkliche Form der Meditation.
Der Schüler, der diese Prinzipien leben will, beobachtet ständig seine
Handlung, seine Haltung. Er entwickelt seine Aufmerksamkeit und weckt sein
inneres Bewußtsein. Mit dieser Gymnastik des Denkens, des Egos und des
Geistes, diesem geistigen Aiki-taiso, erzeugt man eine Energie, die uns
befähigt, unsere Bestimmung zu erkennen. Es ist auch eine Gymnastik unserer
Gefühle. Man tritt ein in Begriffe, die in unserer Gesellschaft nicht mehr
gebräuchlich sind, die Bescheidenheit und von da aus das Erhabensein.
Bescheidenheit ist immer die Haltung des Schülers gegenüber seinem
Meister. Wenn ihr die Bedeutung dieser Übung nicht einseht, dann versucht
es trotzdem. Glaubt ja nicht, daß ihr euch kasteien müßt,
daß es sich um einem Zwang handelt oder eine Unterwerfung des
Schülers. Absolut nicht. Für diesen ist es ein wirkliches Hilfsmittel,
sich zu entwickeln. ...
[Es folgen persönliche Erlebnisse von André Cognard; Anmerkung
des Übersetzers.]
Übersetzt und interpretiert: Walter Oelschläger, 1990
copyleft &c
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